Leseprobe ,,Riesensterns Rache"

Inhaltsangabe:
Riesenpfote ist ein treuer WindClan-Schüler und kann es kaum erwarten, seine Gefährten zu beschützen. Doch als sein Vater durch ein tragisches Unglück ums Leben kommt, ändert sich alles: der mittlerweile zum Krieger ernannte Riesenschweif schwört Rache und stellt sich gegen seinen Clan.
Ohne den Schutz der anderen Katzen macht er sich auf die gefährliche Suche nach dem Kater, den er für sein Schicksal verantwortlich macht...
Prolog:
Das düstere Moor wölbte sich zum nachtschwarzen Himmel. Sternenpelze blinkten wie Funken auf der zitternden Heide. Gras wogte um die Pfoten der verstorbenen WindClan-Krieger, die mir starren Schnurrhaaren aufrecht im Wind saßen.
,,Willkommen beim SternenClan, Heidestern."
Ein schlanker Kater mit schimmerndem Pelz trat zu der jungen WindClan-Anführerin. ,,Ich sah, dass du deinen Clangefährten als 2. Anführerin treu gedient hast, und so ist es mir eine Ehre, dir jetzt eines deiner Anführerleben zu geben."
Heidestern neigte den Kopf. ,,Ich danke dir, Drosselpelz."
,,Als ich starb, war ich Heilerkatze", fuhr der Kater fort, ,,aber davor war ich ein Krieger. Ich habe stets, ohne zu zögern, für etwas gekämpft, wenn ich es für richtig hielt, auch wenn es noch so hart schien. Ich gebe dir dein achtes Leben und mit ihm den Mut, deinen Instinkten zu vertrauen. Wenn dein Herz zu dir spricht, musst du gut zuhören." Er beugte sich vor und legte Heidestern die Schnauze auf den Kopf.
Als das neue Leben in sie hineinströmte, biss die graue Katze stöhnend die Zähne zusammen.
Drosselpelz trat zurück und blickte über die Schulter. ,,Gänseschweif?"
Eine hellbraune Kätzin mit roten Fleckentappte aus dem Kreis ihrer Clangefährten, ihr Fell erglühte im silbernen Licht. ,,Weißt du, wer ich bin?", fragte sie Heidestern.
Heidestern hob den Kopf und rang zitternd nach Luft. ,,Ja! Ich habe deinen Namen so viele Male gehört. Du hast dich geweigert, deine Jungen gegen den SchattenClan kämpfen zu lassen, und dabei warst du so unerbittlich, dass dein Vorschlag ins Gesetz der Krieger aufgenommen wurde."
Gänseschweif nickte. ,,Seit damals die Jungen nicht für den Kampf trainieren, bevor sie sechs Monde alt sind. Ich hätte es selbst mit jedem SchattenClan-Krieger aufgenommen, um zu verhindern, dass eines meiner Kleinen einen einzigen Schlag erleidet. Du hast zwar keine eigenen Jungen, Heidestern, aber ich will dennoch, dass du diesen wichtigenGrundsatz mit mir teilst. Mit deinem neunten Leben gebe ich dir die Kraft einer liebenden Mutter. Nutze sie, um deinen Clan zu beschützen."
Sie legte Heidestern die Schnauze auf den Kopf. ,,Sie ist stärker als der Wind und wird dich dein Leben lang begleiten."
Heidestern konnte sich kaum aufrecht halten. Sie schwankte und ihre Beine gaben nach.
Ein gefleckter grauer Kater trat vor. ,,Heidestern?" Er beugte sich über die neue WindClan-Anführerin. ,,Ist alles in Ordnung?"
Gänseschweif schnippte mit dem Schwanz. ,,Sie ist stark, Habichtherz. Ich kann es spüren." Heidestern richtete sich auf. ,,Es geht mir gut", versicherte sie dem Kater. Zitternd wandte sie sich an die SternenClan. ,,Ich gelobe, dem WindClan so viel Stärke zu verleihen, dass er von allen Clans des Waldes geachtet wird. Ich werde die Katzen meine neun Leben lang sorgsam führen und hoffe, dass alles, was ich erreiche, euch mit Stolz erfülltund ihr mich willkommen heißen werdet, wenn ich zu euch stoße."
Zustimmendes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Sternenpelze. ,,Denk immer daran", rief Gänseschweif, ,,dass keine Macht stärker ist als die Liebe!" Bei diesen Worten lösten sich die Gestalten der Kriegerahnen langsam auf und wirbelten wie ein Kometenschweif in den mitternächtlichen Himmel hinauf.
,,Wir müssen zum Mondsteinzurück", flüsterte Habichtherz in Heidesterns Ohr.
Heidestern schüttelte den Kopf. ,,Ich will den SternenClan jetzt noch nicht verlassen."
Habichtherz sah den schwindenden Sternenpelzen nach. ,,Sie sind doch schon weg."
,,Aber ihr Geruch ist noch da." Heidestern peitschte unwillig mit dem Schwanz.
,,Dann sehenwir uns später beim Ahnentor". Habichtherz wandte sich ab und tappte den Hang hinunter. Sein Pelz verschmolz mit den Schatten, bis er auf der Heide kaum zu erkennen war. ,,Zuhause wartet der Clan bestimmt schon auf uns."
,,Ich werde bald folgen." Heidestern blickte der Heilerkatze nach. Immer noch schwach auf den Pfoten, kletterte sie das Moor hinauf, anfangs langsam, doch die neun Leben pochten unter ihrem Pelz und beschleunigten ihre Schritte. Schließlich rannte sie so schnell über das windgepeitschte Gras, dass ihre Schnurrhaare im Gesicht klebten. Erst als das Moor an einem Steilhang endete, blieb sie stehen. Heidestern balancierte am Rand der sandigen Schlucht entlang und blickte über die Wälder und Wiesen, die sich hinaus in die Dunkelheit erstrecken.
Hinter ihr näherten sich Pfotenschritte. ,,Warum verweist du hier?", miaute eine sanfte Stimme. Heidestern drehte sich um und blinzelte. Der Pelz einer verblassen Ahnenkriegerin schimmerte schwach. ,,Ich wollte den Duft des SternenClans noch eine Weile genießen", gestand sie. ,,Wer bist du?"
,,Ich bin Mottenflug." Die grünen Augen der Kätzin leuchteten. Ihr ehemals weißer Pelz war so durchsichtig, dass die Heide dahintersichtbar wurde.
,,Mottenflug?" Heidesterns Augen wurden groß. ,,Du warst die erste WindClan-Heilerkatze!"
Mottenflug nickte. ,,Du hast den Mondstein entdeckt", flüsterte Heidestern. ,,Und jetzt bist du gekommen, um mich zu treffen?"
,,Ich habe bei deiner Ernennungszeremonie zugesehen", erklärte Mottenflug, ,,und gewartet, bis die anderen gegangen sind, damit ich allein mit dir sprechen kann."
,,Hast du etwa eine Prophezeiung für mich?" Heidestern bohrte vor Aufregung die Krallen in dem Torfboden. ,,Eine Prophezeiung ist es nicht, nein. Vielleicht eher eine Warnung." Mottenflugs Stimme war kaum mehr als ein Hauch im Wind.
Heidestern spitzte die Ohren und beugte sich vor. ,,Hör mir gut zu, Heidestern", miaute Mottenflug eindringlich, ,,Was auch geschieht, du darfst keine bedingungslose Loyalität von deinen Clan-Katzen verlangen."
Heidestern hob überrascht den Kopf. ,,Natürlich verlange ich es von ihnen! Es steht mir zu."
,,Ein Krieger muss selbst entscheiden, wem seineLoyalität gilt."
,,Sie sollte seinem Clan und mir gelten", fauchte Heidestern.
,,Und dennoch darfst du sie nicht auf die Probe stellen."
Heidestern wurde zornig. ,,Ich bin ihre Anführerin!"
Mottenflugs Schwanz zuckte. ,,Du bist jung. Du wirst Erfahrungen sammeln und weiser werden. Deshalb lass dich vorerst von meinen Warten leiten."
Heidestern schnaubte. ,,Wenn es um meinen Clan geht, entscheide ich."
,, Selbstverständlich", besänftigte Mottenflug. ,,Aber du wirst erfahren müssen, dass Krieger manchmal erst verstehen, was ihnen wichtig ist, wenn sie das, was sie lieben, verlassen haben."
,, Verlassen, was sie lieben? Meinst du ihren Clan?"
Mottenflug sah sie schweigend an.
,,Wenn Krieger ihren Clan verlassen, verraten sie ihn. Mein Clan wird treu sein."
,,Es wird einen Krieger geben, dessen Treue zum Clan ins Wanken Gerät", erklärte Mottenflug. ,,Eine Katze wird jenseits der Grenzen eures Territoriums suchen müssen, bis sie erkennt, wo ihr Herz in Wahrheit zu Hause ist."
Heidestern kräuselte die Lippen. ,,Willst du damit sagen, dass jemand aus meinem Clan Streuner wird?"
Mottenflug blinzelte, ihre Augen blitzten wie grüne Sterne. ,,Er wird umherziehen, und du musst das zulassen, selbst wenn du fürchtest, dass er nie zurückkehren wird. Nur so wird er herausfinden, wo er hingehört."